Die “Natur des Menschen”
Oft hört man, der Kapitalismus sei das, was der menschlichen Natur entspräche. Darauf zwei kurze Erwiderungen:
Den Homo sapiens gibt es, je nachdem wo genau man den Beginn ansetzt, seit mindestens einer Million Jahren - den Kapitalismus, je nachdem, wo genau man den Beginn ansetzt, seit maximal fünf hundert Jahren. Demnach hätte also die Menschheit während des aller größten Teils ihrer Zeit unter ihr nicht entsprechenden Verhältnissen gelebt.
Aristoteles - der im antiken Griechenland, also in einer Sklavenhalter-Gesellschaft lebte - schreibt in seiner „Politika“, dass die Sklaverei der Natur des Menschen entspräche, weil es eben von Natur aus Menschen gäbe, die zum Herren taugen, und andere, die zu nichts anderem als Sklavenarbeit befähigt seien, und dass es deshalb gerade für letztere vorteilhaft sei, von einem Herren geführt zu werden. Wenn selbst ein überragender Denker wie Aristoteles in den gesellschaftlichen Verhältnissen, in welchen er lebte, so sehr befangen war, dann waren diese Ansichten gewiss die allgemein verbreitete Meinung seiner Zeit. Man sieht: Den Angehörigen jeder Gesellschaft erscheint gerade diese als die einzig natürliche; sie kennen es ja nicht anders, und weil sich die Menschen stets entsprechend den Verhältnissen, in denen sie leben, verhalten, glaubt ein jeder, dieses allgemeine Vorurteil durch eigene tägliche Erfahrung bestätigt zu sehen.